08.06.2017Teilen

Interview mit Yogalehrerin Astrid Rövekamp

Im Interview erzählt Astrid Rövekamp, wie sie zu Yoga gekommen ist, warum sie einen dynamischen Yoga-Stil bevorzugt und warum Ponta do Sol auf Madeira einer ihrer Lieblingsplätze ist. Sie verrät auch, für wen eine Reise mit ihr geeignet ist.

Liebe Astrid,
du bist Ingenieurin im technischen Umweltschutz. Wie kommt man aus dieser Berufssparte zum Yoga?
Zum Yoga bin ich ursprünglich gekommen, um einen körperlichen Ausgleich zu finden. Denn in meinem Beruf bewege ich mich wenig und sitze viel am Computer. Sehr schnell habe ich jedoch gemerkt, dass es nicht allein an der Bewegung liegen kann, dass ich mich nach jeder Yogastunde mental sehr wach, frisch und voller Energie gefühlt habe. In der Anfangszeit hatte jede Yogastunde für mich eine fast berauschende Wirkung, meine Stimmung war aufgehellt.

Das hat mich neugierig gemacht, mehr über Yoga zu erfahren und ich habe begonnen, Seminare zu besuchen. Dort habe ich gelernt, worum es im Kern beim Yoga geht, um das zur Ruhe kommen des Geistes. Oder, wie es im Patanjali-Yoga-Sutra, einem der wichtigsten Quelltexte des Yoga, heißt: yogas-citta-vrrtti-nirodhah, das Zur-Ruhe-Kommen der geistig-mentalen Vorgänge.

Meine Tätigkeit als Chemieingenieurin ist geprägt von einem analytischen Ansatz. Es geht darum, Technologien zu verstehen, zu bewerten und die von Industrieanlagen ausgehenden Umwelteinwirkungen einschätzen zu können. Es handelt sich also um eine kognitive Tätigkeit, der Geist ist permanent beschäftig.

Durch Yoga habe ich geistige Ruhe erfahren können. Ich habe gelernt, dass es möglich ist, durch innere Ruhe die Welt auf eine eher ganzheitliche, intuitive Art wahrzunehmen. Vermutlich war es für mich die Suche nach dieser anderen Möglichkeit, die Welt um uns herum zu erfahren, die mich zum Yoga gebracht hat.

Wann hast du deine Yoga-Ausbildung absolviert und gibt es einen Yogalehrenden, der dich besonders inspiriert hat?
Meine Yogalehrerausbildung nach den Kriterien des BDY, dem Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland, habe ich von 2004 bis 2008 absolviert. In dieser Zeit habe ich auch den Ashtanga-Vinyasa-Yoga, eine dynamische Yoga-Form kennen gelernt. Dabei handelt es sich um einen aus Indien überlieferten traditionellen Yoga-Stil, bei dem die Asanas, die einzelnen Körperhaltungen, immer in der gleichen Reihenfolge praktiziert werden. Es ist für mich etwas Besonderes gewesen, Manju Jois, kennen zu lernen, der diesen Yoga-Stil bei seinem Vater gelernt hat und noch heute in der traditionellen Form unterrichtet. In der traditionellen Form, im sogenannten Mysore-Style, praktiziert jeder Teilnehmende für sich im eigenen Tempo; der Lehrer korrigiert die Teilnehmenden und führt sie durch sogenannte „adjustments“, also körperliche Hilfestellungen bzw. Korrekturen, tiefer in die Haltungen hinein.

Die sowohl kraftvollen aber auch einfühlsamen Hilfestellungen, mit denen Manju mich tiefer in die Haltungen hinein geführt hat, waren eine ganz besondere Erfahrung und haben mir gezeigt, dass es möglich ist, über scheinbar gegebene Grenzen hinaus wachsen zu können.

Später habe ich den Begründer des Power-Yoga, Bryan Kest, kennengelernt. Power-Yoga arbeitet mit Elementen des Ashtanga-Vinyasa-Yoga, geht aber sehr spielerisch mit der festgelegten Reihe um. Im Power-Yoga wird die Reihenfolge verändert, es werden vor- und nachbereitende Haltungen in den Unterricht aufgenommen und die Körperausrichtung wird variiert.

Bryan Kest hat mir vermittelt, dass es beim Yoga wie bei einem prächtigen Buffet ist. Wir stehen vor diesem Buffet und möchten gerne von allem etwas nehmen, da es so lecker aussieht und auch ist. Wenn es uns am Ende aber schlecht geht, da wir zu viel gegessen haben, können wir nicht dem Buffet die Schuld daran geben, sondern nur uns selbst.

Genauso ist es im Yoga. Es geht für jeden einzelnen darum, für sich heraus zu finden, was gut und richtig ist. Für einen Teilnehmenden ist es richtig, in einer Standhaltung den Blick nach oben zu nehmen, für einen anderen ist es besser, den Blick nach vorne auszurichten, um den Nacken besser entspannen zu können. Ein flexibler Mensch muss tief in eine Vorbeuge hinein gehen, um sich spüren zu können. Für Teilnehmende mit Rückenbeschwerden ist es richtig, die Beine zu beugen und sich mit den Händen an den Beinen aufzustützen. Es geht also darum, für sich selbst heraus zu finden, welches Maß und welche Variante die richtige ist. Ein Yogalehrender ist dafür da, die Varianten und Möglichkeiten zu zeigen. Zu erkennen, wenn eine Person angespannt ist oder wo ein intensiveres Bemühen vielleicht zu einer neuen Erfahrung führen kann.

Durch diese Herangehensweise wird Yoga zu einer Schulung für das Leben. Auch im Leben müssen wir entscheiden, was gut für uns ist, womit wir uns beschäftigen und wie intensiv wir dies tun. Wir müssen lernen zu erkennen, wann unsere Grenzen erreicht sind und wir eine Pause benötigen. Es macht dabei keinen Sinn, sich mit einer anderen Person zu vergleichen. Es geht darum, in sich selbst hinein zu lauschen und sich selbst zu erkennen.

Du unterrichtest seit mehreren Jahren als Lehrerin dynamische Yoga-Stile wie Vinyasa-Yoga oder Power-Yoga. Was ist für dich daran das Besondere?
Bei den dynamischen Yoga-Formen werden die einzelnen Körperhaltungen fließend miteinander verbunden, wie zum Beispiel dem Sonnengruß. Es werden viele Standhaltungen eingenommen, um den Körper zu erden. Für mich war es zu Beginn meiner Yogapraxis leichter, über die Bewegung in die geistige Stille zu kommen. Bei ruhigeren Yoga-Stilen ist es mir sehr schwer gefallen, in der Konzentration zu verweilen und aufmerksam zu bleiben. Ich war mit den Gedanken schnell woanders, ich habe über Dinge nachgedacht, die in der Vergangenheit geschehen sind oder habe Pläne für die Zukunft gemacht.

Die Bewegungsabläufe in den dynamischen Yogaformen haben es mir leichter gemacht, mich zu konzentrieren und damit ganz im Moment zu verweilen. Durch den schnelleren Wechsel von einer Haltung zur nächsten ist eine größere Aufmerksamkeit auf einzelnen Details erforderlich. Wie sind zum Beispiel die Füße ausgerichtet, stehen sie wirklich parallel, sind die Beine gestreckt, ist der Bauchnabel noch immer leicht nach innen gezogen, um den unteren Rücken zu stützen? Und fließt der Atem dabei noch immer tief und gleichmäßig? Mit zunehmender Yogapraxis ist es mir dann auch gelungen, einfach nur still zu sitzen und mich ausschließlich auf meinen Atem zu konzentrieren.

Ich denke, dass die dynamische Yogapraxis insbesondere für innerlich unruhige und bewegungsliebende Menschen ein guter Weg ist, die ständig vorhandenen Gedanken, zur Ruhe zu bringen und dadurch Entspannung zu finden.

2011 bist du das erste Mal mit einer Yogagruppe für NEUE WEGE verreist. Seitdem begleitest du regelmäßig Reisen in ganz unterschiedliche Regionen und Länder. Gibt es einen Lieblingsort, an den du immer wieder zurückkehrst?
Im vergangenen Jahr war ich zum ersten Mal in Ponta do Sol auf Madeira und werde auch in diesem und nächsten Jahr wieder hinreisen. Es ist wundervoll durch eine Reise im Oktober den Sommer etwas zu verlängern und ein paar Sonnenstrahlen einzufangen, bevor in Mitteleuropa die herbstliche Jahreszeit beginnt. Das Wandern ist meines Erachtens ein wundervoller Pausenfüller zwischen den beiden Yogaeinheiten am Morgen und am Nachmittag und von Ponta do Sol aus ist es möglich, wunderschöne Wanderungen entlang der Levadas, der Wasserkanäle, zu starten. Auch zum Entspannen bietet der Ort Ponta do Sol einladende Orte, z. B. einige nette Cafés, den Strand oder auch das weitläufige Gelände des Designhotels Estalagem.

Fasziniert bin ich aber auch von der Lykischen Küste. Durch NEUE WEGE bin ich das erste Mal in die Türkei gereist und war von der grünen und zerklüfteten Landschaft, die mich sehr an Thailand erinnerte, überrascht. Auch die Gebäude haben mich an Asien erinnert. Die türkische Küche ist sehr vielfältig und durch die große Auswahl an vegetarischen Speisen und die frische Zubereitung verträgt sie sich vorzüglich mit der Yogapraxis. Eine Reise an die Lykische Küste steht bei mir derzeit nicht an, ich hoffe jedoch, dass sich die politische Lage in der Türkei beruhigen wird und ich bald das neue Haus in Cirali kennenlernen kann.

Hast du spontan ein Erlebnis von einer Yoga-Reise, was dich immer noch berührt oder zum Lachen bringt?
Im Hotel Ifenblick im Allgäu würden Heupäckchen-Behandlungen im Wellnessbereich angeboten. Für die Behandlung werden mit Heu gefüllte Päckchen angewärmt und auf den Körper gelegt. Ich weiß nicht mehr genau, wie es eigentlich dazu kam, aber nach einigen Tagen begannen meine Teilnehmer und Teilnehmerinnen immer zu kichern, wenn ich die Ansage machte: „Zieht die Knie zum Brustkorb heran und bildet ein Päckchen“. In dieser Woche haben wir insgesamt sehr viel Spaß gehabt und es musste nur irgendjemand „Heupäckchen“ sagen und wir alle begannen zu lachen und hatten vermutlich den Geruch von warmem Heu in der Nase. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Gruppe werde ich noch lange als „Heupäckchen“ in Erinnerung behalten.

Deine nächste Reise mit NEUE WEGE geht nach Madeira ins Hotel Estalagem. Das Thema der Yoga-Woche lautet „Vinyasa-Yoga dynamisch und kraftvoll.“
Für wen empfiehlst du diese Reise besonders? Ist das auch eine Reise für noch Yoga Ungeübte?
Grundsätzlich ist die Reise sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene geeignet. Yoga-Erfahrung ist nicht erforderlich. Ich baue die Yoga-Praxis schrittweise auf und die Übungen werden im Laufe der Woche wiederholt und vertieft. Im Yoga gilt der Grundsatz, dass jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin an die persönliche Grenze heran gehen soll, aber nicht darüber hinaus. Indem ich für die einzelnen Haltungen verschiedene Varianten anbiete, kann die Praxis individuell angepasst werden.

Interessierte sollten aber berücksichtigen, dass die Bewegungsabläufe durchaus kraftvoll und schweißtreibend sind. Bei Ungeübten kann es daher sein, dass sie ihre Muskeln in den Armen, Schultern und Beinen nach der Praxis spüren werden. Um dem Körper Zeit zur Erholung zu geben, ist die Yogaeinheit am Nachmittag sanfter und der Schwerpunkt liegt hier auf Atemtechniken und Entspannung.

Hast du eine Übung, die man gut in den Alltag integrieren kann oder eine Yoga- Weisheit die Du unseren Blog-Lesern gerne mitgeben möchtest?
Wenn ich merke, dass meine Gedanken um ein Problem kreisen, dass ich im Moment nicht lösen kann oder mich über etwas ärgere, hilft es mir, meine Konzentration auf den Atem zu richten. Der Atem ist ein wundervolles Meditationsobjekt, wir haben ihn immer bei uns und wenn wir ihn wahrnehmen, kommen wir mit der Aufmerksamkeit sofort in die Gegenwart zurück.

In solchen Momenten beobachte ich, ob der Atem tief ist oder flach, ob er gleichmäßig fließt oder ungleichmäßig. Ich beobachte, wo im Körper Atembewegungen stattfinden, zum Beispiel im Bauchraum oder im Brustraum. Ich nehme war, wie sich der Luftstrom bei der Einatmung und bei der Ausatmung am Nasenflügel anfühlt. Das alles hilft mir, die belastenden Gedanken loslassen zu können und den Geist wieder in eine andere Richtung zu lenken.

Vielen Dank für das interessante Interview!

Dieser Beitrag wurde geschrieben von:

Astrid Rövekamp