11.11.2016Teilen

Reisebericht: Ayurveda-Kur im Manaltheeram

Etwas wackelig auf den Beinen und mit leicht unsicherem Schritt finden meine eingeölten Füße, die in Stoffpantoffeln stecken, ihren Weg vom Behandlungsraum zur komfortablen Liege im Ruhebereich des Außentraktes der Manaltheeram Ayurveda Resorts. Doch es kann nichts passieren. Eingehakt bei Hemalatha und an die Hand genommen von Surya, was wörtlich „die Sonne“ heißt, meinen hübschen, freundlichen und überaus einfühlsamen Therapeutinnen. Noch bin ich ein wenig abgetaucht in meiner inneren Welt - nach der rund zweistündigen Therapie, die an diesem Tag aus einem Stirnguss und „Pizhichil“, einem Ölbad bestand. Also lasse ich mich langsam unter dem Ventilator auf der offenen Veranda nieder und genieße meinen entspannten Körper und den Safran-Tee, der mir gebracht wird. Surya und ich verabschieden uns bis zur nächsten Behandlung am folgenden Tag; schon kommt die Ärztin auf mich zu und fragt nach, wie es mir geht und wie die - sogenannten - Treatments heute waren. Alles gut! Ich fühle mich wunderbar behandelt und aufgehoben. Es sind die letzten Tage meiner Kur, und ich versuche mich zu erinnern, ob ich mich je so entspannt und ausgeglichen gefühlt habe wie hier, an diesem Ort, während dieser Kur!? Mir ist, als ob eine innere Waage sich genau ausgependelt hat. Ist es wirklich so, dass meine Doshas schon in einer gesunden Balance sind? Beschwerden haben sich gebessert, mein Körper und Geist fühlen sich im Gleichgewicht. Und auch wenn ich während der Kur zuweilen Rückzug brauche und mag, kommt es mir vor, als ob ich Bäume ausreißen könnte vor Lebenslust.

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Mein Blick fällt auf das üppige Grün der tropischen Bäume und Pflanzen um mich herum.Viele davon mit Schildern versehen, da es Heilpflanzen sind. Man lernt also schon im Liegen, was die Natur und dieser Garten an Heilung zu bieten hat. Mein Blick fällt auch auf das Grün des Kittels, den ich und die anderen Patienten und Patientinnen tragen. Ein bisschen lachhaft schauen wir schon aus, und genießen dennoch unsere Uneitelkeit während der Kur. Wir alle wissen: Wir können mit den hübschen Saris der Mitarbeiterinnen im Resort nicht konkurrieren. Aber was macht es schon, wenn man mit einem Gewand, welches an einen OP-Kittel erinnert, sich dennoch wie die Königin von Saba fühlt.

2 Wochen zuvor:
Mein Transfer endet in einer engen Gasse vor einem Tor, das sich nun öffnet. Vor mir ein Kleinod: eine schöne Gartenanlage mit kleinen runden Steinbungalows, die mit Strohdach versehen sind. Das Manaltheeram in Kerala, Südindien. An der Rezeption werde ich schon mit einem strahlenden Lächeln, wohlriechenden Blumen und einer frischen kühlen Kokosnuss erwartet. Im Nu fallen die Strapazen der Anreise von mir ab. Ich bekomme meine Kurunterlagen und nur wenige Stunden später soll schon die erste Konsultation erfolgen. Ich bin freudig gespannt! Aber noch frage ich mich, wo sich hier das Meer versteckt hat. Als ich zu meinem Bungalow gebracht werde, ist es dann nicht mehr zu überhören und zu übersehen. Ich stehe auf einer Anhöhe, die Küste von Kerala liegt wie eine Sichel aus Sand vor mir ausgebreitet. Zwischen den Palmen sind Hängematten gespannt, eine Yogaplattform liegt direkt vor meinem Zimmer und die nächsten Nächte und Tage ist das grandiose Tosen des Meeres – es ist Regenzeit – mein ständiger Begleiter. Meine weiteren Begleiter in den nächsten Wochen: die Leinentasche, in der ich meine bitter schmeckende Medizin zum Restaurant trage, die frechen schwarzen Krähen, denen man nicht zu nah kommen möchte, die tägliche indische Zeitung vor der Tür, mit der ich mich über das Weltgeschehen und die indische Lokalpolitik schlau mache, das leckere „herbal water“, welches wir alle in enormen Mengen zu jeder Mahlzeit zu uns nehmen. Und natürlich Öl, Öl, Öl...das in allen erdenklichen Formen auf und in meinen Körper gebracht wird. Und in der Kombination mit der hohen Luftfeuchtigkeit mir bald eine Haut wie ein Baby beschert.

Wichtigster Begleiter dieser Kur ist aber die Belegschaft, das Team des Manaltheeram. Bei den Ärztinnen und Ärzten angefangen, die achtsam und mit wachen Blick die Patienten und Patientinnen beobachten und die einen sorgsam zum nächsten Glied in der ayurvedischen Kette reichen, den Therapeuten und Therapeutinnen. Streng nach Geschlechtern getrennt, was auch wohl tut, denn sitzt oder liegt unsereins nackt oder nur mit Einwegslip in den Behandlungen. Doch auch die lächelnden Gesichter der Zimmermädchen, die orange gekleideten Frauen, die den Garten pflegen und bunte Farbtupfer im Tropengrün sind, der auf dem Felsenthron sitzende Wachmann, der den lokalen Jungs am Strand unten beim Fußballspiel zuschaut, und vor allem die aufmerksamen Mitarbeiter im Restaurant bieten eine heimelige und geborgene Atmosphäre, die nicht unbedingt Luxus, aber dafür Herzlichkeit und Natürlichkeit beinhaltet.

Schwer fallen mir dann auch die Schritte, um mich am letzten Tag der Kur von allem und allen zu verabschieden. Noch einmal hinauf durch den Garten in das Behandlungszentrum und zur hauseigenen Apotheke, wieder hinunter zum Pool mit dem Blick aufs weite Meer, zu der Belegschaft in das offene Restaurant. Ein Lachen, ein Handschlag. Wo vorher jeder Schritt, den man hier setzte, so wohl geleitet wurde, geht es nun allein hinaus aus dem Tor. Im Gepäck: Öl, Medizin und eine große innere Dankbarkeit.

Linda Nepicks

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Linda Nepicks