Meditation am Strand Meditation am Strand

Gedankenanstösse von Schraun von Bonin: Yoga zur Corona Zeit

Seltsam diese Tage…

…in denen die Welt stillzustehen scheint und Dinge, die zuvor unmöglich schienen, geschehen;

… in denen viele alltägliche Aktivitäten in der gewohnten Form nicht mehr umsetzbar sind und neuer Lösungen bedürfen;

… in denen persönliche Kontakte auf ein Minimum reduziert und somit viele Menschen auf sich selbst zurückgeworfen sind;

…in denen das, was das Leben bisher getragen hat, für viele in Frage gestellt ist und laufend neue Fragen aufwirft.

Momentan weiß niemand, wie sich die Dinge entwickeln werden. Der gewohnte Blick auf die Dinge funktioniert nicht und alles Expertentum kann immer nur einen Ausschnitt des Ganzen wahrnehmen und beurteilen.

Es sind besondere Zeiten, die wir erleben, Zeiten, die es erfordern, innezuhalten, Altbekanntes mit neuen Augen zu betrachten, Gewohntes auf seine Notwendigkeit zu überprüfen und sich immer wieder neu zu orientieren.

Immer, wenn wir erfahren, dass unsere Vorstellungen und Erwartungen nicht greifen, eröffnet sich ein Feld der neuen Möglichkeiten, welches sich zu erforschen lohnt.

Doch dazu bedarf es Momente der Ruhe, in denen wir uns auf das besinnen was aktuell ist, in denen wir nicht dem nachhängen, was hinter uns liegt und gleichzeitig frei sind von Vorstellungen darüber, wie es zukünftig sein sollte.

Kann Yoga dabei helfen?

Ich meine ja, denn im Yoga wird die Achtsamkeit geschult und Veränderungen hin zu einer besseren Lebensqualität werden in Gang gesetzt. Jeder, der sich mit dem Wunsch, sich in diese Richtung zu entwickeln, auf den Yoga-Weg einlässt, kann davon profitieren.

Welcher Art müsste die Yogapraxis sein?

Ich möchte an dieser Stelle keine spezielle Yoga-Sequenz anführen, sondern lieber auf die Qualität der Yogapraxis verweisen.

Als erstes sollten wir für uns klären, mit welcher Motivation wir uns auf die Matte begeben. Suchen wir körperlichen Ausgleich und Bewegung? Erwarten wir am Ende ein körperliches oder emotionales Wohlbefinden, mehr Ruhe in der Meditation? All diese Ziele lassen sich mit Hilfe einer ausgewogenen Yogapraxis erreichen.

Aber vielleicht bietet die Yogapraxis noch etwas darüber Hinausführendes. Vielleicht bedeutet das Üben von Yoga auch, einen geschützten Ort des Lernens aufzusuchen, den wir mit Neugier und ohne Erwartungen betreten, um zu erfahren, wie sich in jeder Bewegung oder Haltung widerspiegelt, wie wir der Welt begegnen und was sie für uns bereithält.

Letzteres erfordert eine große Offenheit und Unvoreingenommenheit und die Bereitschaft sich auf ein Gefühl der Ungewissheit einzulassen.

Üblicherweise vermeiden wir dieses Gefühl. Wir fühlen uns sicherer im Altvertrauten. Werden wir unvorhergesehen mit etwas Fremdem konfrontiert, ziehen wir uns nur allzu oft innerlich zurück und reagieren mit Abwehr. In der Folge schalten wir auf „Autopilot“, steigen innerlich aus und verlieren damit den direkten Zugang zur Wirklichkeit. Alte Gedanken-, Gefühls- und Bewegungsmuster übernehmen das Ruder und führen oft genug in unheilsame Kreisläufe der Unruhe, aus denen man nur schwer entkommen kann: Gedanken drehen sich im Kreis, der Körper reagiert mit Anspannung, Disharmonien und schlimmstenfalls mit Schmerz.

Um diesen Kreisläufen zu entkommen, bietet die Yogapraxis einen geschützten Raum, in dem wir ermutigt werden, uns mit dem anzufreunden, was wir erleben. Wir können üben, entspannt ins Ungewisse einzutauchen, ganz gleich, wie es sich uns präsentiert. Wenn es uns geling, zu beobachten, wie wir mit unserem Unbehagen an der Unberechenbarkeit der Welt umgehen und die Bereitschaft entwickeln, es ohne Ablenkungsmanöver zuzulassen, finden wir Zugang zu einem inneren Wissen, dass uns auch in schwierigen Situationen Halt geben und einen guten Weg weisen kann.

Auf der Matte äußert sich das, indem wir eine Haltung mit Leichtigkeit einnehmen und ein Gefühl der Zeitlosigkeit und Stabilität in ihr erleben. Alle Empfindungen dürfen sein, ohne Zweifel oder Unruhe aufkommen zu lassen.
 

Es gibt keine Fragen, die Lösungen bieten sich von alleine an.

Wie müssten wir Yoga praktizieren?

Wir sollten

  • Lust haben, uns auf uns auf eine Reise zu uns selbst zu begeben um Neues über uns zu erfahren;
  • bereit sein, uns bewusst und vorurteilsfrei wahrzunehmen in dem, was wir tun;
  • genau beobachten, ob wir während des Übens auf (Bewegungs-)Muster und Routinen zurückgreifen, oder ob es uns gelingt, und neue Erfahrungen zuzulassen, obwohl sie unerwartet, fremd und noch nicht vertraut sind;
  • immer wieder üben, uns mit dem Neuen, Unerwarteten anzufreunden ohne Widerstände zu entwickeln;
  • üben, das Entstehen und Vergehen von Gedanken und Gefühlen wahrzunehmen, ohne uns von ihnen mitreißen zu lassen;
  • auf Tadel und Missbilligung unserer Selbst verzichten und wohlwollend mit uns umgehen;
  • uns daran freuen, dass wir uns auf den Prozess des Wandels immer wieder neu einlassen
     

Je besser es gelingt, die Yogapraxis nicht nur als Bewegungsabfolge zu erleben, sondern als Möglichkeit, zu erforschen, wie wir mit gestellten Anforderungen umgehen, was dabei mit uns geschieht und wie wir innere Räume gewinnen, aus denen heraus sich neue, ungeahnte Wege eröffnen, desto besser helfen die gewonnenen positiven Impulse dabei, sich in diesen seltsamen Zeiten zu orientieren und die Kraft aufzubringen, sich den Erfordernissen zu stellen.

In diesem Sinne wünsche ich allen von ganzem Herzen eine bereichernde Zeit, sowohl beim Üben als auch jenseits der Matte.

Scharun v. Bonin