Auf das nächste "Gesicht" in unserer Jubiläumsreihe, den 44-jährigen "chief research officer" Yonten Dargye, der in der Nationalbibliothek Bhutans in Thimpu tätig ist, hat uns unser Reiseleiter und Bhutan-Experte Gregor Verhufen aufmerksam gemacht. Gregor und Yonten kennen sich schon sehr lange und haben von 1996 bis 2005 gemeinsam ein Forschungsprojekt an der bhutanischen Nationalbibliothek zum Aufbau eines EDV-gestützten Katalogsystems durchgeführt.
Nun kommen beide wieder zu einem gemeinsamen Projek in Bhutan zusammen, das wir mit unserer Spende unterstützen. Dabei geht es um den Erhalt der Schriftkultur Bhutans, die in der heutigen Zeit stärker in den Hintergrund rückt, da die Menschen immer mehr mit dem Computer schreiben. Gregor ist bereits vor Ort, um gemeinsam mit Yonten die ersten Impulse für den Projektstart einzuleiten.
Um Ihnen einen Einblick die Traditionen der bhutanischen Schriftkultur und die Ziele des Projekts zu geben, hat Gregor uns eine Zusammenfassung zukommen lassen:
Traditionell kennt man die Kunst des Druckstockschnitzens in Tibet und Bhutan (kulturell sind beide Länder eng verknüpft miteinander). Dabei werden Lettern spiegelverkehrt (!) in ein längliches Holzstück geschnitzt. Die Schnitzer sind so gut, dass sie, wenn sie einmal einen Fehler eingeschnitzt haben, diesen dann später noch korrigieren können. Wenn der Druckstock fertig ist, wird er mit Tinte eingerieben, es wird ein Blatt handgeschöpftes Papier darauf gelegt und mit einer Rolle unter Druck angerollt, sodass ein Abbild des Textes - nun richtig herum - auf dem Papier erscheint. Es gibt nur noch wenige Schnitzer in Bhutan, die diese Technik bis heute beherrschen.
Ein weiterer Themenschwerpunkt des Projekts werden die in Bhutan existierenden Kalligraphien an sich sein. Es ist interessant zu wissen, dass von allen Schriften, die ja aus Tibet nach Bhutan überliefert wurden, die in Bhutan hauptsächlich verwendete Schreibschrift (genannt Joyig = Schnellschrift) in Tibet nicht vorkommt! Man hat jedoch im hunderte Kilometer weiter nördlich gelegenen Kloster Dunhuang (!) an der Seidenstraße Schriftbeispiele gefunden, die der Schreibschrift in Bhutan ähneln. Herauszufinden auf welchen Wegen diese Schrift nach Bhutan gekommen ist, ist ein weiterer Schwerpunkt des Projekts.
Hier ein paar Beispiele:
Handgeschnitzter Druckstock
Joyig Schreibschrift - Schriftbeispiel
(Juli 2015)
Wir freuen uns, berichten zu können, dass das Gemeinschaftsprojekt von Gregor Verhufen und Yonten Dargye zum Erhalt der bhutanischen Schriftkultur gut gestartet ist.
Das Projekt ist über einen Gesamtzeitraum von drei Jahren angelegt. Bis Dezember 2016 dauert die erste Phase, in der Gregor und Yonten Datenmaterial und Beispiele zu den Schriften sammeln. Hierfür ist Gregor u.a. auch in Bhutan vor Ort, um dort gemeinsam mit Yonten und anderen Wissenschaftlern wie dem Forscher Yeshi Lhuendrub und dem Buchdruckschnitzer Yeshe Namgyel zusammen zu arbeiten. Die gesammelten Daten werden dann in einer zweiten Phase bis Mitte 2018 analysiert und ausgewertet.
Wir freuen uns über die positiven Entwicklungen sowie den Fortschritt des Projektes und wünschen Yonten, Gregor und allen Beteiligten viel Erfolg dabei!
Gregor hat uns aus Bhutan ein paar Impressionen von Yontens und seiner Arbeit zugesendet.
(Dezember 2015)