06.11.2019Teilen

25 Jahre Jamyang Ling Schule in Reru, Zanskar

Die Anreise – Von Bernd Balaschus

Als wir durch die Ortschaft Sani fahren, warten wir gespannt auf die letzten Kurven hinter dem Ortsausgang: mit einem Blick öffnet sich eine weite Ebene, an deren Höhenzügen linker Hand das Kloster Karsha auftaucht und im Hintergrund die auf der anderen Seite des Zanskar-Flusses gelegene, teilweise noch schneebedeckte, Bergkette. Wir haben einen atemberaubenden Anblick bei untergehender Sonne am Spätnachmittag über die flache Landschaft mit dem Ort Padum am äußeren Ende.

Wie oft in den letzten Jahren bin ich diese Strecke gefahren - an dem sehr schlechten Zustand der Straße hat sich kaum Wesentliches geändert in all den Jahren. Immer wieder wird gebaut, ausgebessert, die Steilhänge abgesichert und oft müssen wir die Autofenster schließen, damit der dichte Staub nicht eindringen kann.

Und dann stockt uns allen der Atem: als wir um die letzte Kurve fahren, stehen Schüler, Lehrer, Köche, die Angestellten der Schule in Doppelreihe zu unserer Begrüßung bereit. Die älteren Schüler stehen mit Kataks, die jüngeren mit kleinen selbstgepflückten Blumensträußchen in der Hand entlang des markierten Weges. So viele Hände können gar nicht geschüttelt werden, die Last der unzähligen Kataks drückt, die vielen, vielen Blumensträuße, die uns entgegengehalten werden, zu viel zum Halten: wie bin ich froh, diesen überaus herzlichen, bewegenden Empfang, der uns allen gilt, mit unserer Reisegruppe teilen zu dürfen.

Gespannt sind wir auf einige neue Lehrer und besonders auf die Schulleiterin Mrs. Tenzin Choney. Sie ist als Tochter tibetischer Flüchtlinge in Leh aufgewachsen. Und natürlich auf die älteren Schüler und Studenten aus Jammu. Sonam Dolma, Schülerin der allerersten Klasse 1994, hatte uns auf der Hinfahrt in Sankoo, kurz hinter Kargil, zum Frühstück eingeladen. Sie steht exemplarisch für die Reihe von Schülerinnen und Schülern, die ihren Schulabschluss in Jammu mit Erfolg gemacht haben und eine sehr gute Anstellung im indischen Gesundheitssystem bekommen haben.

Immer wieder kommen Erinnerungen, wie alles vor 25 Jahren begann. Eigentlich sind es 26 Jahre, denn im Sommer 1993 lagerten wir mit einer Trekkinggruppe am gleichen Ort oben am idyllisch gelegen See.

Unendlich viel ist in diesen Jahren passiert: die Deckenkonstruktion des Hotels musste nach Regenfällen durch eine Betondecke ersetzt werden, einheimische Lehrer, darunter auch Ex-Schüler, nahmen die Stelle der tibetischen Lehrer aus Südindien ein. Unvergessen auch die Situationen, wenn strukturiertes westliches Denken auf östlich/ indisches Denken stieß. Es war ein immerwährendes Ringen und Bemühen des gegenseitigen Verstehens; sehr viel zum Gelingen trug bei, dass Shambhala e.V. immer die tiefen religiösen und spirituellen Überzeugungen der Zanskaris wertschätzte, sei es durch den Bau eines Stupa, sei es durch die insgesamt fünf Avalokiteshvara und Yamantaka Mandalas, die in der Schule entstanden.

Tipp: Die nächste Gruppenreise nach Nordindien mit Bernd Balaschus findet vom 22.03. - 05.04.2020 statt.

 

Das Fest  Von Karin Klinger

Reru war wieder überwältigend! Ca. 85% der alten Reru- nun Jammuschüler oder gar mittlerweile Studenten sind da, fast vollständig erschienen. Sie wirken mit an der komplexen Vorbereitung des großen Schuljubiläumsfestes, gestalten aktiv und kreativ. Eine Atmosphäre von emsigem, regem und wohl organisiertem Schaffen!

Sie zaubern ein Zeltcafe, bereiten köstliche Chais und Momos, versorgen alle mit Speisen und Getränken. Alles auf Spendenbasis zum Wohle der Schule! An alles wird gedacht, vom großen bis ins kleinste Detail! Mehr Anerkennung, Dankbarkeit und Wertschätzung hätten die „alten“ Schüler nicht zum Ausdruck bringen können! Diese aktive Präsenz und Mitgestaltung zeigt mehr als 1000 Worte: alle wollen etwas von dem, was sie hier an Schulbildung und Zuhause erhalten haben, zurückgeben.

In der Schule entsteht ein Kunstwerk, ein Avalokiteshvara-Mandala, ein religiöses Schaubild, Symbol für Liebe und Mitgefühl. 2 Mönche aus Dharamsala arbeiten mehrere Tage unerlässlich, hoch konzentriert, diese innere Schau nach außen in ein Sandgemälde zu transformieren. Wie ein Kraftort wirkt dieser Raum im Zentrum des Schulgeländes!

Als besondere Überraschung haben ältere Schüler eine Ausstellung organisiert und gestaltet: „Das Leben der Menschen in Zanskar, gestern und heute.“ In jedem Klassenraum findet man ein „lebendiges Museum“, das verschiedene Themen und Aspekte des Lebens hier im Hochtal auf direkte, berührbare Weise präsentiert. Da gibt es z.B. einen Raum, in dem gezeigt wird, was die Menschen in dieser unwirtlichen Höhe unter diesen extremen klimatischen Bedingungen anbauen, wie sie es verwerten, bzw. für den langen Winter haltbar machen können. Was lässt sich z.B. aus dem wichtigen Hauptnahrungsmittel Gerste zaubern? Wie wird sie geröstet, gemahlen und zum überall gegenwärtigen, nahrhaften „Tsampa“ verwandelt?

Es gibt auch eine Art „Modenschau“, was tragen Groß und Klein, Frauen und Männer in welcher Jahreszeit, zu welchen Anlässen? Woher kommt die Wolle, wie wird sie verwertet, wie gesponnen, gewebt…

In jeder Klasse wird man willkommen geheißen, Fragen werden gerne beantwortet, alles darf berührt, begriffen werden…teilweise spielen die Schüler Szenen aus dem Alten Zanskar, Theatersequenzen machen das „Museum“ lebendig!

Viel altes Wissen wird hier erhalten bzw. weitergegeben, uralte Erfahrungen bleiben wach!

Ein Höhepunkt des Festes am 2. Tag ist der erneute Besuch von Kundeling Rinpoche. Der gebührend große Empfang zeigt, wie bedeutsam sein Besuch der Schule für alle Menschen im Tal ist. Alle erwarten ihn strahlend, mit Kataks, den weißen Glückschals, in ihren Händen. Ihre Gesichter spiegeln Erwartungsfreude und Wertschätzung. Wie angemessen er mit den Menschen hier in Kontakt kommt und mit ihnen kommuniziert! „Was macht euch glücklich?“ mit dieser Frage beginnt er das „Gespräch“, die tiefgründige Belehrung. Später gibt er eine „Einweihung“, verteilt den Segen der „Tara“, im tibetischen Buddhismus der weibliche Aspekt von Liebe und Mitgefühl.
Immer wieder betont er die Wichtigkeit der Schule, wertschätzt ihre Kontinuität und die Menschen, die dazu beitragen! Später will er sich noch mit den Lehrern für ein spezielles Gespräch mit ihnen treffen, auch da scheint ihm der direkte Kontakt wichtig.

Es ist eine große Begegnung!

Am Ende dieser zwei reichen, beeindruckenden Tage… schließlich dann der Abend mit der großen Party mit Musik- und Tanzvorführungen. Auch hier, wie bei vielen anderen Beobachtungen, fasziniert das Zusammentreffen von Tradition und Moderne! Junge, dynamische, großstadterfahrene Erwachsene, Jammuschüler oder Studenten und die Menschen, die teilweise noch nicht jenseits des Lungnak Tals gekommen sind. „High Tech Anlage“ mit „Bollywood-“ oder „Jammu-Rock-Tanzvorführungen“ treffen auf uralte Zanskari-Tänze und -Lieder, langsam und meditativ in ihren Bewegungen.

Das „alte Zanskar“ ist im Wandel, so deutlich sichtbar dieses Jahr!

Und wieder sehe ich, wie wertvoll Schulbildung gerade in diesen Umbruchzeiten ist. Hilfreich, um klug und kreativ mit den neuen Anforderungen umzugehen, um altes, wertvolles Wissen, überlebenswichtige Traditionen zu kultivieren, gleichsam kreativ Neues, Lebenserleichterndes einzuweben.

Wie Sie das Schulprojekt unterstützen können:

  • Mitgliedschaft bei Shambhala e.V. (Jahresbeitrag ab € 60,-)
  • Sponsoring für ein Zanskari Kind mit monatlich € 20,-
  • Beiträge in Form von einmaligen Spenden

Spendenkonto:
Kreissparkasse Reutlingen
IBAN: DE79 6405 0000 0000 0195 34
SWIFT: SOLDES1REU

Dieser Beitrag wurde geschrieben von:

Bernd Balaschus & Karin Klinger