20.08.2017Teilen

Eine Reise in den Himalaya - im Interview mit Tibet-Experte Klemens Ludwig

Faszination Himalaya - Tibet-Experte und Autor Klemens Ludwig gibt Ihnen im Interview mit NEUE WEGE einen Einblick in die faszinierende Landschaft und Kultur im Himalaya.

Lieber Klemens,
während deines Studiums in Theologie und Anglistik hast du dich dazu entschieden, für die Gesellschaft bedrohter Völker zu arbeiten. Wie kam es dazu?

Ich kam wirklich sehr unbedarft aus der Provinz, dem Sauerland, an die Universität. Dort erlebte ich rasch, dass es sehr viel mehr Möglichkeiten gibt, als die Schulzeit fortzusetzen und zielstrebig auf eine berufliche Karriere hinzuarbeiten. So orientierte ich mich nach vielen Seiten und war von der Arbeit der Gesellschaft für bedrohte Völker besonders fasziniert. Damals lag der Schwerpunkt auf der Solidarität mit den indigenen Völkern Amerikas. Als sich die Möglichkeit ergab, dort auch beruflich einzusteigen, erschien mir das eine weit attraktivere Perspektive als mein Lehramtsstudium, das ich abgebrochen habe. Diesen Schritt habe ich nie bereut.

Deine erste Reise nach Tibet war im Jahr 1986. Seither bist du häufig in das Land gereist. Wie würdest du Land und Leute beschreiben.
Asien war Liebe auf den zweiten Blick. Was Tibet betrifft, so ist das Land meiner ersten Reisen vor 30 Jahren mit dem heutigen vermutlich kaum noch zu vergleichen. Aber ungeachtet der Umwandlung Tibets in eine chinesische Provinz bleibt der majestätische Himalaya, der auf den ersten Blick eintönig erscheinen mag und doch so faszinierend facettenreich ist. Und es bleiben die Menschen, die seit tausenden von Jahren dort mit großem Respekt vor der ungezähmten Natur leben und von ihr geprägt wurden. In abgelegenen Teilen ist diese Verbindung von Mensch und Natur noch zu erleben. Dort wird das eigene Ego ganz klein.

Du hast bereits einige Bücher und Artikel über Tibet und den Dalai Lama veröffentlicht. Was fasziniert dich besonders an diesem Land und wie findest du Ideen für neue Publikationen?
Durch meine Arbeit in der Gesellschaft für bedrohte Völker wusste ich ziemlich gut, was die Menschen zwischen 1959 und 1980 an Terror und Gewalt durchgemacht hatten. Dennoch haben all die Menschen, mit denen ich zusammengetroffen bin, eine Würde und Lebensbejahung, ja einen Optimismus ausgestrahlt, die mich vollkommen fasziniert hat; keine Opferhaltung, keine Rachegelüste, kein Fanatismus, wie er in anderen Religionen leider verbreitet ist. Dabei hätten gerade die Tibeter mehr als viele andere Gemeinschaften, Grund, sich in eine Opferrolle zu flüchten und zu radikalisieren. Nichts davon ist jedoch geschehen. Diese Geisteshaltung der Versöhnung, aber auch des unbeirrten Festhaltens an der eigenen Tradition erlebe ich in tibetischen Gemeinschaften bis heute. Und das versuche ich auch in meinen Publikationen weiterzugeben.

Deine Reisen mit NEUE WEGE führten dich bereits mehrmals in den Himalaya beispielsweise nach Ladakh, Sikkim und ins Spiti-Tal. Hast du spontan ein Erlebnis von einer Reise, das dich immer noch berührt oder zum Lachen bringt?
Hm, ein einmaliges Erlebnis kann ich nicht herausheben, aber viele kleine, die banal erscheinen mögen, mich aber sehr berührt haben. Bei dem Spiti-Tsomoriri-Trek kommen wir an der Stelle, wo wir vom Sutlej- ins Spiti-Tal abbiegen, nur etwa zehn Kilometer an der tibetischen Grenze vorbei. Früher war das eine Kulturregion ohne Grenze, heute ist es ein unüberwindliches Hindernis. Das bewegt mich sehr. Ich lasse dort immer anhalten und erkläre der Gruppe die Hintergründe der Verbindung zu Tibet. Berührend ist auch immer der Schluss des Treks, wenn wir nach acht wirklich harten Tagen in Korzok einlaufen, wo dann ein Auto auf uns wartet. Es ist ein wenig wie ein Zieleinlauf beim Marathon. Und natürlich sind da viele berührende Begegnungen mit den Menschen vor Ort, vor allem, wenn wir unterwegs auf Nomaden treffen.

Worauf freust du dich am meisten, wenn du an deine Reisen in den Himalaya im nächsten Jahr denkst?
Die faszinierende Landschaft wieder zu erleben, die wunderbaren Begegnungen mit den Menschen unterwegs; und in Leh das Gefühl, ein wenig auf den Spuren der großen Himalaya-Expeditionen zu wandeln, die zumeist von dort aufgebrochen sind.

Hast du noch eine Weisheit, die du unseren Blog Lesern mitgeben möchtest?
Vor der Größe des Himalaya relativieren sich viele der alltäglichen Sorgen und Ängste. Es ist ein wundervolles Gefühl, sich darauf einzulassen.

Vielen Dank für dieses offene Interview!

Dieser Beitrag wurde geschrieben von:

Klemens Ludwig