12.05.2015Teilen

Experteninterview mit Yogalehrer Karl Semelka: BewusstSEIN im Alltag

Was unterscheidet deine Achtsamkeits- und BewusstSEINSarbeit von anderen?

In vielen Traditionen wird zwar auf die Notwendigkeit hingewiesen, bewusst zu sein und zu werden, was mir jedoch schon vor vielen Jahren aufgefallen ist ist, dass das WIE fehlt. WIE bringe ich meine Bewusstheit in meinen Lebensalltag? Die Aufforderung das zu tun ist das Eine, aber meiner Meinung nach viel wichtiger ist die praktische Umsetzung und der Transfer in den Alltag. Und das ist ein wesentlicher Bestandteil in meinen Workshops.

Wie sieht das für dich in der Praxis aus?

Ich vermittle in meiner therapeutischen und spirituellen Arbeit, dass die Basis unseres Seins ganz konkret zu erfahren ist, indem ich z.B. lerne, mich wahrzunehmen und zu spüren. Im Zustand dieses BewusstSEINs kann ich mir meines Gewahrseins gewahr sein und „tun was zu tun ist“. Zusätzlich vermittle ich ganz praktische Tipps zur Stressreduzierung. Das können der Umgang mit Konflikten sein, Ärger in der Arbeit, Partnerschafts- und Erziehungsprobleme.

Wollen das nicht alle? Inwiefern hebt sich deine Arbeit von anderen ab?

Ja, die spirituellen Lehrer der Welt wollen das so. Über Techniken, die traditionsabhängig vermittelt werden, erfährt man diese Bewusstheit auch. Der wesentliche Schritt dies auch im Alltag zu leben, fehlt aber leider meist. Und das ist das, worauf es mir ankommt. Im Alltag konkret zu erfahren, "sich seines Bewusstseins bewusst zu sein". Zu erfahren, dass alles in diesem leeren, sich selbst bewussten Raum Deines Gewahrseins "geschieht". Zu erfahren, dass alles was geschieht in dem Bewusstsein geschieht, "ICH BIN".

Du hast eben von „sich spüren“ gesprochen, was genau ist damit gemeint?

Spüren bedeutet für mich, sich (seinen Körper) völlig anstrengungslos wahrzunehmen, z. B. beim Umgang mit anderen Menschen, bei alltäglichen Arbeiten und in sonstigen Lebenssituationen. Dabei spielt es keine Rolle, was ich wahrnehme.

Und was ist, wenn ich Schmerz und Leid wahrnehme?

In letzter Konsequenz geht es tatsächlich darum, völlig das zu akzeptieren, was ist, nicht nur bezogen auf meine körperliche Verfassung. Ob jemand bewusst werden will oder nicht, überlasse ich natürlich jedem selbst. Wenn ich jedoch bewusst werde und wahrnehme, dass mich in der Regel meine unnötigen Gedanken und Fantasien krank machen, werde ich gesünder, weil ich schlichtweg weniger Stress habe und der Körper von selbst regeneriert. Wenn sich unsere Bewusstheit entwickelt, werden wir mehr und mehr getragen und geleitet von der uns innewohnenden schöpferischen Kraft. Es entwickelt sich etwas in uns, das im Hinduismus Sat Chit Ananda (zeitloses Sein, allgegenwärtiges Bewusstsein, höchste Freude) genannt wird.

Was erfährt man denn in dieser Bewusstheit im Alltag?

Wenn Du nur das Ziel hast, bestimmte großartige Erleuchtungserfahrungen zu machen, werde ich Dich enttäuschen müssen. Das ist es nicht, was ich meine. Du erfährst Deine ewige, einzige, wahre und unveränderbare Natur. Es ist eigentlich das Schlichteste vom Schlichtesten. Von vielen großen Mystikern gibt es die Aussage dazu: „es ist so einfach“.

Heißt es, Du empfiehlst keine Meditationsübungen mehr?

Grundsätzlich würde es reichen, in dieser Präsenz zu verweilen und Ihr Lebensalltag wird zur Meditation. Ich empfehle trotzdem regelmäßige meditative Techniken, um in einem geschützten Rahmen tiefer in die Erfahrung einzutauchen und sich mehr von ihr durchdringen zu lassen.

Verändert sich durch dieses BewusstSEIN der Alltag?

Ja, sogar sehr deutlich. In diesem Gewahrsein wirst Du unmittelbarer und authentischer werden. Du wirst Deine innere Stimme hören und immer mehr das tun, was Dir entspricht. Notwendig dazu ist liebevolle Konsequenz, um sich immer wieder an diese Bewusstheit zu erinnern (im Alltag vergessen wir dies immer wieder). Du wirst Mut benötigen, die Dinge in Deinem Leben zu verändern, die einfach nicht stimmig sind.